Seiten

Mittwoch, März 14, 2012

Geschlechterstereotype in biologisch-medizinischer Forschung

"Stereotype und Vorurteile zu Geschlechtern beeinflussten und beeinflussen auch Bio- und Neurowissenschaften. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden z.B. zahlreiche Versuche unternommen einen Mangel der „Verstandeskräfte“ bei Frauen und nicht-europäischen Männern zu finden (Voß 2010, S. 165ff). Heinz-Jürgen Voß resümmiert zu den Studien des 19. und 20. Jahrhunderts, in denen nach Zusammenhängen zwischen Gehirnmorphologie und intellektuellen Fähigkeitsunterschieden bei Frauen und Männern geforscht wurde:
„Deutlich wird vielfach, dass die Arbeiten von dem Interesse geleitet waren, Emanzipationsbestrebungen von Frauen als berechtigt zu begründen oder als ‚wider die Natur’ abzulehnen.“ (Voß 2010, S. 166).
Wenn Voß (ebda.) Kritik an diesen vor über hundert Jahren publizierten Forschungen übt, ihre Methodik hinterfragt und ihre Ergebnisse vor dem gesellschaftlichen Kontext beleuchtet und interpretiert, so kann das einerseits ausschließlich in der Dimension der historischen Wissenschaftsforschung gelesen werden. Wenn jedoch aktuelle Beispiele gefunden und diskutiert werden, die mit ähnlichen diskussionswürdigen Fragestellungen, ebenso zu kritisierenden Methoden und problematischen Kontextualisierungen arbeiten, dann sieht man die andere Seite von Voß’ Kritik, nämlich die Sichtbarmachung von eingeschriebenen Geschlechterstereotypen in biologisch-medizinischer Forschung – bis heute (vgl. Schmitz & Schinzel 2002; Nash & Grossi 2007¸ Voß 2010)." (Zitat aus: Thaler 2011, S. 133)

Bei Verwendung der obigen Textpassage bitte diese Quelle zitieren:
Thaler, Anita (2011). Hat Technik ein Geschlecht? In: Arno Bammé (Hrg.) LIFE SCIENCES. Die Neukonstruktion des Menschen? München, Wien: Profil Verlag, S. 129-143.

Referenzen:

Nash, Alison & Grossi, Giordana (2007). Picking Barbie’s Brain: Inherent Sex Differences in Scientific Ability? In: Journal of Interdisciplinary Feminist Thought. Vol. 2 / 1, Article 5, 1-23.
Schmitz, Sigrid & Schinzel, Britta (2002). GERDA: A brain research information system for reviewing and deconstructing gender differences. In: Ursula Pasero & Anja Gottburgsen (Hg.). Wie natürlich ist das Geschlecht? Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 126-147.
Voß, Heinz-Jürgen (2010). Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Bielefeld: transcript.

Podcast zu Vortrag von Heinz-Jürgen Voß:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen