Am Ende eines Seminars, in dem Studierende selbst ein Referat gehalten, den Referaten der anderen zugehört und eine Seminararbeit verfasst, sowie 1-3 der anderen Seminararbeiten gelesen und diskutiert haben, bleibt bei manchen Studierenden die Frage übrig „Wozu brauchen wir eigentlich eine Lehrveranstaltungsleitung, wo wir doch ohnehin alles selbst machen?“.
Warum also nicht Woche für Woche aus einem Buch „Methoden der Geschlechterforschung“ vortragen und am Ende das ‚Wissen‘ der Studierenden prüfen, wo doch dann viel deutlicher wird, dass hier eine ‚hart arbeitende Vortragende‘ am Werk ist?
Gute Frage … vielleicht weil es nicht darum geht möglichst produktiv zu erscheinen, sondern möglichst gut – im Sinne einer emanzipatorischen Erwachsenenbildung – zu lehren? Weil mir tatsächlich gute Erwachsenenbildung ein großes Anliegen ist, in meiner Forschung und in meiner Lehre, möchte ich anhand der Lehrveranstaltung „Methoden der Geschlechterforschung“ ein paar Gedanken ausführen.
Zunächst bleiben viele Vorarbeiten dieses und ähnlicher Seminare unsichtbar (wie das Aussuchen der zu bearbeitenden Texte – die selbstverständlich jedes Semester neu ausgesucht und gelesen werden – das Erstellen und Aktualisieren der Handouts, das Generieren und Feilen am didaktischen Konzept – das seit 2006 durch viel konstruktives Feedback von Studierenden und eigene Reflexion konstant optimiert wurde). Dass diese Vorarbeiten unsichtbar bleiben, liegt in der Natur der Sache, Arbeiten, die einen guten späteren Lehrveranstaltungsablauf ermöglichen werden nur dann wahrgenommen, wenn sie nicht gut genug erledigt wurden. Das ist durchaus nachvollziehbar.
Etwas das von den meisten Studierenden durchaus erkannt wird, sind die Arbeiten in der Lehrveranstaltung selbst, also z.B. das Einbringen von Inputs. Bei der Vorbesprechung und anlässlich des 1. Blocks werden nie nur organisatorische Dinge besprochen (sowie auf diesen lehrveranstaltungs-begleitenden Blog verwiesen), sondern aktuelle Themen der Gender Studies vorgetragen und anhand praktischer Übungen im Seminar bearbeitet. Diese Übungen haben den Sinn theoretisches Wissen ‚angreifbar‘ zu machen, mit Neuem an bereits vorhandenem Wissen der Studierenden anzudocken. Und sie sollen Studierenden zeigen, wie sie ihre StudienkollegInnen beim eigenen Referat – außer mit üblichen Diskussionsfragen – aktivieren und didaktisch sinnvoll einbinden können.
Die für manche eher unangenehm erlebte Arbeit einer Lehrveranstaltungsleitung liegt im Feedback im Anschluss an die Referate. Damit beim Referat Themenverfehlungen oder Falschausrichtungen vermieden werden, gibt es in der „Methoden der Geschlechterforschung“-Lehrveranstaltung eine Feedbackschleife davor, wo Studierende ihr Referat kurz per e-mail skizzieren und darauf Rückmeldungen und im Bedarfsfall Literaturtipps bekommen. Aus manchen Anfragen ergeben sich mehrmalige e-mail-Wechsel, andere Studierende wählen gleich den Weg in die Sprechstunde, kopieren Bücher, diskutieren Forschungsfragen und Übungsideen etc. mit mir. Auf diese Weise ist das Feedback auf die Referate in der Lehrveranstaltung in den meisten Fällen davon geprägt, dass ich zusätzliche Beispiele zur Methode aus meiner aktuellen Forschungsarbeit liefere und Kleinigkeiten, die im Referat evtl. undeutlich oder missverständlich blieben, verdeutliche und veranschauliche. Trotzdem ist für manche Studierenden Feedback (außer in Form von Noten) so außergewöhnlich, dass sie diesen Teil der Lehrveranstaltung vielleicht lieber entfallen lassen würden. Mir ist aber dieses Feedback aus zwei Gründen sehr wichtig. Zum einen möchte ich den Studierenden eine Lernmöglichkeit bieten und aus den vielen guten Seminararbeiten, die danach abgegeben werden, schließe ich, dass diese Chance von den meisten angenommen wird. Zum anderen trage ich eine Verantwortung dafür, dass nicht nur die Studierenden, die ein Referat halten etwas lernen, sondern auch die Zuhörenden. Aus diesem Grund kläre ich missverständliche Formulierungen auf, mache auf Fehler aufmerksam, ergänze um Informationen, die aus meiner Sicht ein Thema auch für die zuhörenden Studierenden nachvollziehbar machen.
Das für die Studierenden sicherlich einen Mehraufwand bedeutende „Peer Review“-Verfahren am Ende des Seminars, bedeutet auch für eine Lehrveranstaltungsleitung einen Mehraufwand. Denn wie eine Studentin einmal so schön formulierte „Die Arbeit kommt immer wieder zurück.“ Im Gegensatz zu den Studierenden lese ich natürlich alle im Schnitt 15-20 Seminararbeiten zweimal. Einmal um in einem weiteren, letzten Feedback auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, ein weiteres Mal, um die Arbeiten dann – in einem meistens sehr deutlich verbesserten Zustand – zu benoten.
Ja, warum so viel Aufwand für ein Seminar, wo Studierende den Eindruck bekommen könnten, sie hätten ohnehin alles selbst erarbeitet und die Lehrveranstaltungsleitung habe wenig dazu beigetragen?
Ganz einfach, weil ich denke, dass gute Erwachsenenbildung und gute Universitätslehre sich daran messen lassen sollte, welches Wissen Studierende nachhaltig gelernt haben.
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